Es war einmal…

… eine Geschichte über unser Prinzip der Dankbarkeit

Es war einmal vor kurzer Zeit in einer Stadt, deren Name so willkürlich ist, wie das Wetter. Da lebte ein kleiner Mann, mit einer Zauberfähigkeit. Der Mann ahnte nicht, dass in seinem Wesen – so wie in jedem Wesen übrigens – etwas schlummerte, was für andere Menschen heilsamer als jede Apotheke sein konnte.

Seine Gabe war es Geschichten zu erzählen. Seine Stimme hatte genau die Frequenz, die es brauchte, um Seelen zu beruhigen und seine Phantasie konnte Bilder malen, die in dieser Intensität und Vielfalt nur in einigen wenigen ganz alten Bilderbüchern zu finden sind. Doch weil man von Geschichten keine Paläste kaufen konnte, lebte der kleine Mann ein sehr bescheidenes Leben. Er bewohnte eine kleine Holzhütte mit einer harten Pritsche, einer Kochstelle und einem winzigen Kamin. Dazu gab es einen großen Ohrensessel und eine Leselampe.

Die einzige Dekoration, die er besass war ein kleines Gemälde von einem Segelboot. Er wusste, dass er nicht mehr brauchte und auch nicht mehr besessen hätte, wenn es um seine finanzielle Situation anders bestellt gewesen wäre. Schließlich hatte Reichtum wenig mit dem zu tun, was man an seine Wände hängen oder in sein Portemonnaie stecken kann. Und doch war es so gemütlich bei ihm, wie in keinem der prunkvollsten Paläste der Stadt. Der Kamin, die vornehmlich verwendeten Naturmaterialien seines Haushalts und nicht zuletzt der fortwährend köchelnde Tee auf seinem Kamin – eine geheime Mischung eines ihm wohlgesonnenen Alchemisten – verbreitete jenen wohltuenden Geruch, den man heutzutage wohl nur aus fernen Abendländern kennt.

Und obwohl er nie jemanden einlud, hatte er mehr Besuch, als Diejenigen, die ihr ganzes Leben darauf ausrichten in Gesellschaft zu leben. Denn wenn der kleine Mann abends in seinem Ohrensessel anfing zu erzählen, hatte das eine solche Anziehungskraft auf seine Umgebung, dass es bald schon zur Tradition wurde, dass sich die Nachbarschaft vor seinem Fenster versammelte und ihm gespannt zuhörte.

Niemand wusste, wieso er gekommen war – aber jeder spürte, dass es es kaum möglich war sich der Faszination dieser Geschichten zu entziehen. Denn wenn der kleine Mann erzählte, vergaßen seine Zuhörer für einen kurzen Moment ihre Sorgen.

Nicht selten entließ er sie mit einem Lächeln und einige berichteten sogar, dass sie bei regelmäßigen Besuchen hartnäckige Gebrechen wie Insomnien, Verkopfung, Einsamkeit oder Groll losgeworden sein.

Eines Tages kam es, dass eine wohl betuchte Herrscherin eine solche Zeremonie beiwohnte und von der heilsamen Wirkung berührt war. Und weil sie es gewöhnt war ihre Dankbarkeit mit Gold und Silber zu honorieren, war sie doch sehr irritiert, als der kleine Mann den Goldsack nicht annehmen wollte. Also ging sie auf ihn zu und sagte: „Kleiner Mann, es stimmt mich traurig, dass Sie mir diesen Akt der Dankbarkeit verwehren. Verraten Sie mir doch, was ich tun kann, um meiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen?

Da entgegnete der kleine Mann: „Gute Frau, ich weiß ihre Geste zu schätzen und freu mich, dass meine Geschichte Ihnen gut getan hat. Für mich persönlich ist es das größte Geschenk, wenn Sie als Dank dem nächsten Menschen helfen, der Ihre Hilfe benötigt und ihm kund tun, dass er als Dank dem Nächsten helfen soll. So können wir Freude und Dankbarkeit maximieren. Fühlen Sie Sich also zu jeder Zeit herzlich eingeladen meinen Geschichten beizuwohnen. Und anstelle einer Gegenleistung, tun sie Gutes, wann immer es ihnen möglich ist. Bald schon werden sie merken, wie jede kleine Geste dem großen Ganzen dient und dass Sie nicht mehr nach Hilfe fragen müssen.“

SPIN-Dankbarkeit